Nachhaltigkeit in der Porsche-Vorentwicklung: Trends erkennen, Zukunft gestalten

Carla Römisch ist in der Vorentwicklung von Fahrzeugen tätig und gestaltet im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach technische Innovationen mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit. Im Interview berichtet sie, wie unter anderem die Entwicklung zukunftsweisender Technologien einen Beitrag zur Reduzierung von Umweltauswirkungen bei Porsche leisten kann.

Carla, was motiviert dich, verantwortungsbewusst zu handeln und zu leben - und wie überträgst du das auf deine berufliche Tätigkeit?

Carla Römisch: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft Verantwortung für unser Handeln und unsere Umwelt tragen – besonders in einer Welt mit endlichen Ressourcen und zunehmenden globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und sozialer Ungleichheit. Mein beruflicher Weg spiegelt diesen persönlichen Anspruch wider: Erste Erfahrungen sammelte ich bei Porsche in der Werkstofftechnik, welche sich mit der Auswahl, Entwicklung und Prüfung von Materialien beschäftigt. Mein Fokus lag hier bereits auf ressourcenschonenden Materialien. Anschließend konnte ich mein Wissen in der E-Mobilität bei einem Technologieberatungsunternehmen vertiefen. Zurück bei Porsche entwickelte ich eine Methode zur frühzeitigen Prognose von CO₂-Emissionen in der Lieferkette. Heute arbeite ich in der Vorentwicklung mit dem Ziel, eine möglichst nachhaltige Produktentwicklung voranzutreiben und technische Lösungen zu schaffen – für unsere Kundinnen und Kunden.

„Die Vorentwicklung ist die kreative Ideenwerkstatt, in der die Zukunft unserer Produkte Gestalt annimmt.“

Was genau wird unter der Fahrzeugvorentwicklung verstanden? Welche Prozesse finden bereits in dieser Phase bei Porsche statt?

Römisch: Die Vorentwicklung bei Porsche ist die kreative Ideenwerkstatt, in der die Zukunft unserer Produkte Gestalt annimmt. Bevor ein neues Fahrzeug in die Serienentwicklung übergeht, werden hier innovative Technologien und Trends frühzeitig identifiziert und in durchdachte, zukunftsfähige Konzepte überführt. Wir fertigen erste Prototypen, prüfen Materialien und evaluieren die technische sowie wirtschaftliche Umsetzbarkeit dieser Konzepte. Dabei arbeiten wir eng mit vielen Fachbereichen zusammen – von der Forschung und Nachhaltigkeitsstrategie bis hin zu Produktion, Design und Vertrieb. Auch der Austausch mit Partnern außerhalb von Porsche, etwa mit Hochschulen oder unmittelbaren Zulieferern, ist uns wichtig, um frische Impulse und spezialisiertes Know-how einzubinden. Insbesondere in der Karosserievorentwicklung setzen wir auf interdisziplinäre Teams, die an Zukunftsthemen wie Leichtbau, Aerodynamik, Innenraumerlebnis und Sicherheit arbeiten.

Carla Römisch, Vorentwicklung von Fahrzeugen, Porsche-Entwicklungszentrum Weissach, 2025, Porsche AG

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in deinem Arbeitsalltag?

Römisch: Die Vorentwicklung kann den Grundstein für nachhaltige Innovationen legen – hier können erste Schritte gegangen und die Weichen für Produkte mit reduzierten Umweltauswirkungen gestellt werden. In dieser frühen Phase des Entwicklungsprozesses sind viele Entscheidungen noch offen – wir verfügen somit über die nötige Flexibilität, um ressourcenschonende Konzepte von Beginn an mitzudenken. Ob es dabei um die Auswahl von Materialien, neue Technologien oder das Produktdesign geht: Je früher ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden, desto wirkungsvoller und wirtschaftlicher können sie im weiteren Verlauf umgesetzt werden. Zudem trägt die frühzeitige Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsanforderungen dazu bei, gesetzliche Vorgaben und Umweltstandards zu erfüllen. Nachhaltigkeitsaspekte von Beginn an in Fahrzeugentwicklungsprozesse zu integrieren ist daher nicht nur ökologisch geboten, sondern auch strategisch entscheidend, um zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln. Unser Anspruch ist es, nachhaltige Lösungen bereits in der Vorentwicklung systematisch und ganzheitlich mitzudenken.

„Je früher ökologische Aspekte berücksichtigt werden, desto wirkungsvoller können sie umgesetzt werden.“

Wie kann man sich dies in der Praxis vorstellen?

Römisch: Wir verfolgen ein sogenanntes „Holistic Eco Concept“ – dies steht bei uns für einen Nachhaltigkeitsansatz mit einem Schwerpunkt auf Kunststoffen im Fahrzeuginterieur und -exterieur. Dabei betrachten wir den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs – von der Entwicklung über Produktion und Nutzungsphase bis hin zum Lebensende.  In enger Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen – unter anderem aus der Werkstofftechnik – analysieren wir das komplette Bauteil: vom Kunststoffträger über Kaschierungen bis hin zu sichtbaren Oberflächen. Dabei identifizieren wir Potenziale zur CO₂-Einsparung sowie für den Einsatz von Rezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen. Durch Material- und Bauteilprüfungen sowie Prototypenaufbauten prüfen wir zudem mögliche Zielkonflikte mit Anforderungen wie Gewicht oder Kosten. Unser Ziel ist es, ressourcenschonende Materialkonzepte mit CO₂-Einsparungspotenzial ganzheitlich zu bewerten und weiterzuentwickeln.

Hast du ein Beispiel für ein solches Material?

Römisch: Beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe legen wir unter anderem Wert auf Regionalität und Ressourceneffizienz. Besonders spannend sind dabei für uns Materialien, die als Nebenprodukte anfallen und bislang kaum in unseren Fahrzeugen genutzt werden – wie etwa die Wolle regionaler Landschaftsschafe. Landschaftsschafe sind Schafe, die gezielt zur Pflege und Erhaltung von Kulturlandschaften eingesetzt werden. Durch ihre Beweidung tragen sie maßgeblich zur Erhaltung einer vielfältigen Vegetationsstruktur bei, indem sie dominante Pflanzen zurückdrängen und so Lebensräume für zahlreiche andere Arten schaffen.  Gleichzeitig liefern sie einen nachwachsenden Rohstoff, der bisher weitgehend ungenutzt ist. Allein im Norden Deutschlands fallen jährlich rund 2.000 Tonnen solcher Wolle an, für die es kaum einen Markt gibt. Deshalb prüfen wir gezielt den Einsatz dieser Wolle – sowohl für textile Oberflächen als auch als Akustikmaterial.

Carla Römisch, Vorentwicklung von Fahrzeugen, Porsche-Entwicklungszentrum Weissach, 2025, Porsche AG

Kannst du beispielsweise auch das Thema Recycling in der Fahrzeugvorentwicklung einbinden?

Römisch: Recycling ist ein zentraler Baustein unseres Kreislaufwirtschaftsansatzes und ein wichtiger Hebel zur Verbesserung der Ressourceneffizienz bei Porsche. Wir arbeiten dabei eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Nachhaltigkeitsstrategie zusammen. In der Vorentwicklung liegt mein Fokus insbesondere auf dem Recycling von Kunststoffen. Unser Ziel ist es, Materialien so auszuwählen und Bauteile so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus hochwertig recycelt und idealerweise in einem geschlossenen Materialkreislauf wiederverwendet werden können – beispielsweise indem aus einem alten Stoßfänger ein neues Bauteil entsteht. Dabei setzen wir nicht auf eine einzelne Technologie, sondern betrachten mechanisches, physikalisches und chemisches Recycling. Die Anwendung der jeweiligen Methode ist abhängig von den erforderlichen Materialeigenschaften sowie den Anforderungen des Bauteils.

Kreislaufwirtschaft: Recycling ist ein zentraler Baustein

Was sind deine persönlichen Highlights in deiner alltäglichen Arbeit? Was motiviert und bewegt dich?

Römisch: In meiner Arbeit in der Vorentwicklung motivieren mich besonders die kreativen Gestaltungsspielräume, die es erlauben, Dynamik und Vielfalt in die Aufgaben zu bringen: Kein Tag ist wie der andere, und die wechselnden Fragestellungen fordern mich immer wieder flexibel zu denken und neue Lösungen zu erarbeiten. Zudem motiviert mich die Zusammenarbeit in einem engagierten Team, das mit Leidenschaft an gemeinsamen Zielen arbeitet und einen positiven Beitrag für die Zukunft unserer Fahrzeuge leisten möchte. Insgesamt macht diese Kombination aus Kreativität, Teamgeist, Abwechslung und dem Fokus auf Nachhaltigkeit meine Arbeit sehr erfüllend und gibt mir täglich neue Energie.

Ein Blick in die Zukunft: Wie schätzt du die zukünftige Entwicklung in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Fahrzeugvorentwicklung ein? Wo siehst du Trends? Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?

Römisch: Trends wie die fortschreitende Digitalisierung, insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und datengetriebenen Analysen, ermöglichen es, Entwicklungsprozesse präziser und effizienter zu gestalten – was die Entwicklung von Produkten mit reduzierten Umweltauswirkungen erheblich fördern kann. Außerdem erweitern wir die Bewertungskriterien für Bauteile, um gezielt zu untersuchen, welche möglichst nachhaltig sind. Ein weiterer bedeutender Trend ist die intensivere Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Recyclern. Nur durch enge Partnerschaften können neue Technologien zur Materialtrennung und -aufbereitung entwickelt werden, die die Qualität recycelter Materialien verbessern und geschlossene Kreisläufe effektiv realisieren. Dabei wird es entscheidend sein, die Bedürfnisse beider Seiten gut aufeinander abzustimmen und effiziente Lieferketten zu etablieren. Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Vorentwicklung längst kein bloßes Zusatzkriterium mehr ist, sondern eine große Chance für mehr Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Info

In der Interviewreihe „Perspektive Nachhaltigkeit“ erzählen Porsche-Mitarbeiter von ihren fachspezifischen Themengebieten. Das Interview mit Carla Römisch ist Teil 17 der Serie.

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